Jedes Jahr stehe ich zu Silvester am Flachdach unserer Wohnhausanlage und betrachte zum Einen das Feuerwerk über Wien, zum Anderen lasse ich meine Gedanken über das abgelaufene Jahr schweifen. Dabei grüble ich immer ein wenig was mir das kommende Jahr wohl bringen wird. Sei es geschäftlich, privat  – wie wird es finanziell werden, wie wird es unserer kleinen Familie gesundheitlich ergehen. Natürlich hätte ich ja niemals gedacht, dass 2,5 Monate später ein weltweit verbreiteter Virus, der auch noch umgangssprachlich namensgleich mit einem äußerst süffigen Bier ist, unser Leben so extrem beeinflussen wird.

Neben vielleicht einigen Vorteilen (je nach Betrachtungsweise) , zeigt uns die Globalisierung somit einer seiner großen Schattenseiten auf. China, das tausende Kilometer von uns entfernt ist, liegt durch die heutigen Reisemöglichkeiten quasi um die Ecke. Wir können sehr schnell dort sein, aber auch alles von dort sehr schnell bei uns. Eine Variante der vielzitierten Globalisierungsfalle? Möglicherweise. Aber es hilft jetzt eh’ kein raunzen und sinnieren, denn der Covid 19 Virus ist da und wir müssen das jetzt aussitzen. Unsere österreichische Regierung hat nun die beschränkte Ausgangssperre bis 13.April verlängert und es gilt die unerwartet viele Freizeit zu überbrücken.

Für uns Radfahrbegeisterten gibt’s ja an und für sich so ein kleines Hintertürl, denn laut Verordnung ist das Radfahren (neben Spazierengehen und Joggen)  prinzipiell erlaubt. Aber wenn schon, dann alleine oder mit im Haushalt lebenden Angehörigen, jedoch unter Einhaltung von mindestens 1m Abstand zu anderen fremden Personen. Wenn man mit dem Rad an den Stadtrand möchte (z.B. Wienerwald) soll man das ohne Benutzung der Öffis bewerkstelligen  – also direkt mit dem Rad hinfahren, oder Rad ins Auto verladen und hinfahren.

Weiterer wichtiger und auch logischer Aspekt: fahren ohne sich und/oder andere zu gefährden. Gut, das wäre ja generell sowieso einzuhalten, aber wir wissen ja das es des Öfteren anders ist – vor allem beim Mountainbiken. Aktuell heißt das jedoch auf gut Deutsch: als Radlfahrer, egal ob RR oder MTB,  sollte man nicht wie die g’senkte Sau nach der nächsten Strava KOM Top Platzierung jagen, sondern mit Umsicht und gemäßigten Tempo unterwegs sein, denn wenn dann im Falle des Falles die sowieso aktuell stark ausgelasteten und bis zur Ihren Leistungsgrenze arbeitenden Rettungsdienste auch noch zusätzlich wegen Radfahrunfälle ausrücken müssen, Krankenbetten somit vielleicht sogar zusätzlich belegt werden – das ist dann gar nicht leiwand.

Am besten wäre es natürlich überhaupt zu Hause zu bleiben. Aber ich gebe es ehrlich zu, wenn es draußen das erste Mal knapp 20Grad hat, die Sonne vom blauen Himmel lacht, ist das verdammt schwer – daher bin ich selber einmal für eine Runde mit dem RR Richtung Leithagebirge ausgerückt und 1x für eine knappe Stunde mit dem MTB am Anninger um meine neu eingestellte Schaltung schnell durchzutesten. Das war’s aber für mich, das MTB ist wieder in der Garage verstaut und das RR in die Rolle eingespannt.

Was kann man aber als Rennradbegeisterter sonst machen außer auf der Rolle zu trainieren? Zur Zeit finden ja leider auch keine Profi Radrennen statt, die man sich im Fernsehen ansehen könnte. Ich für meinen Teil lese sehr gerne Bücher, daher beschreibe ich anschließend ein wenig jene Rennrad Literatur, wie Trainingsbücher und Biographien, die ich mir bisher über die Zeit zu Gemüte führen konnte.

Literatur Radtraining

Bücher über Rennradtrainings gibt’s wirklich viele, für mich sind 2 Werke herausgestochen die auch über Kundenrenzensionen meist diskutiert wurden. Daher habe ich beide gekauft um mir selbst ein Bild zu machen:

Die Trainingsbibel für Radsportler – Joe Friel (3.Auflage, Ausgabe 7. Februar 2019)

»Die Trainingsbibel für Radsportler« ist der weltweit meistverkaufte und womöglich umfassendste Ratgeber für ambitionierte Rennradfahrer. Ihr Autor Joe Friel genießt rund um den Erdball enormes Vertrauen als Coach und Sportwissenschaftler, und sein bewährtes Trainingsprogramm hat bereits zahllosen Hobby- und Leistungssportlern geholfen, ihre Ziele zu erreichen. Dieses Buch liefert fundiertes Detailwissen zu allen Fragen, die in der Trainingsplanung und Wettkampfvorbereitung zu berücksichtigen sind. Joe Friels praxisbewährte und sportwissenschaftlich fundierte Schritt-für-Schritt-Anleitungen verleihen auch Ihnen das Rüstzeug, um in Eigenregie einen persönlichen, auf individuelle Ziele und Bedürfnisse abgestimmten Trainingsplan zu erstellen, diesen laufend gemäß den erreichten Fortschritten und auftretenden Problemen anzupassen und so stets mit den richtigen Umfängen und Intensitäten zu trainieren…

Ich habe mir die Taschenbuchausgabe gekauft und die ist schon ein echter Schinken. Ziemlich klein gedruckt bietet es extrem tiefe Einblicke in die Welt des Trainings die mich als Anfänger ein wenig überfordert haben. Viele Passagen musste ich zum besseren Verständnis mehrmals lesen. Das Buch beinhaltet zahlreiche Tabellen und quillt vor (manchmal wiederholender) Theorie über, hat aber unterm Strich sehr wertvolle Information über Trainingstipps und Trainingspläne die jeder (ev. adaptiert) verwenden kann. Vor allem das Kapitel „der entscheidende Unterschied“ über das funktionelle Kraftraining fand ich für mich sehr interessant. Für den Einsteiger ist das Buch wegen der Informationsflut eventuell etwas heftig, für den fortgeschrittenen Hobbysportler sicher eine Goldgrube an Wissen.

Rennrad Training – Tim Böhme, Jochen Haar

Trainieren wie die Profis. Trainings-Wälzer für Rennradfahrer gibt es zuhauf und viele haben eines gemeinsam: Sie sind zu theoretisch, zu ambitioniert und oft kaum umsetzbar geschrieben. Doch wie trainiert der ganz normale Radsportler? Vom Grundlagenwissen bis zu fertigen Trainingsplänen liefern die beiden Experten Tim Böhme und Jochen Haar verständliche Anleitungen und viele wertvolle Tipps rund ums Rennradfahren. Spannend, tiefgründig, erfrischend anders.

Im Gegensatz zur Trainingsbibel von Joe Friel liest sich meiner Meinung nach dieses Buch etwas „einfacher“ aber es geht dafür nicht ganz so tief in die Trainings Materie ein. Es bietet aber auf jeden Fall genug Wissen und Information für Einsteiger sowie Fortgeschrittene damit das eigene Training davon profitiert. Der Beginn jedes Kapitels wird von Rudi, dem Rennradfahrer eingeleitet – eine fiktive, karikative Figur die den durchschnittlichen Hobbyradsportler skizzieren soll. Somit bekommt das Buch einen kleinen zusätzlichen Unterhaltungsfaktor, denn durch Rudi werden bestimmte Probleme (Rudis Dilemma) eingangs vereinfacht dargestellt, bevor es dann zu Lösungsansätzen kommt.

Biographien

Die unten angeführten Bücher habe ich regelrecht verschlungen. Ich habe sie mir alle wegen der Handlichkeit auf meinen uralt Tolino (erste Generation) geladen. Angeführt sind nur jene Bücher die ich bereits gelesen habe:

Zugtiere in Trainingshosen: Wie ich meinen Traum vom Radprofi erlebte – Phil Gaimon

Phil Gaimon lässt nichts aus, wenn er von den großen und kleinen Fährnissen des Radrennzirkus erzählt. Es geht um nervenaufreibendes Vertragsgefeilsche und rabiate belgische Fans mit einem Faible für Trinkflaschen-Diebstahl, um atemberaubende Renneinsätze im giftigen Smog und die Schwierigkeit, in einem von Doping geplagten Sport Freundschaften zu schließen. »Zugtiere in Trägerhosen«, das sind nicht nur Episoden aus dem Radsport, es ist die lehrreiche Geschichte von einem, der auszog, um sich in einem Haifischbecken zu behaupten und sein Glück zu finden, auch wenn es vielleicht nicht ganz bis an die Spitze reicht.

Mein absolutes Lieblingsbuch unter den bereits gelesen Biographien. Es ist äußerst umfassend (Taschenbuchversion 380 Seiten), sehr unterhaltsam und teilweise richtig witzig – mit einer Brise Sarkasmus – geschrieben und an keiner einzigen Stelle langweilig. Neben seinen Anfängen, Stationen als Amateur und später als Profi u.a. im Garmin Sharp Team (heute EF Pro Cycling) erzählt er offen als jemand, der in der „goldenen“ Zeit des Dopings nie zu illegalen Mitteln griff, über die harte und brutale Seite des Radrennsports, abseits jeglichen Glamours und Verherrlichungen. Einfach top!

Domestik: das wahre Leben eines ganz normalen Radprofis – Charly Wegelius

Ein packender Tatsachenbericht aus dem Herzen des Pelotons: So leben und ticken Radprofis wirklich. Vergessen Sie die glamourösen, bunten Bilder von der Tour de France. Willkommen im wahren, brutal harten, schaurig-schönen Leben eines ganz normalen Radprofis. Unzensiert, hautnah am Geschehen und ungeheuer mitreißend erzählt Charly Wegelius aus dem Herzen des Pelotons: Freuen Sie sich auf eine Milieustudie, die den modernen Profiradsport zeigt, wie er wirklich ist.

Okay, man erkennt es an der kurzen Inhaltsangabe – hier geht es in eine ähnliche Richtung wie bei Phil Gaimons Buch. Kein Glamour, keine Rennradromantik über Siege bzw. Podiumsplätze sondern hier erzählt der Brite schonungslos seine Entwicklung bzw. Bestimmung zum Domestiken. Wie er sich in den Dienst der Mannschaft stellt und sich dabei schindet und leidet um anderen zum Sieg zu verhelfen. Das Ende des Buches, als Charly Wigelius vor seinem großen Triumpf stehen könnte, hat mich besonders emotional abgeholt.

 

Unter Profis – Thomas Dekkar, Thijs Zonneveld

In seiner Autobiografie »Unter Profis«, aufgeschrieben von dem renommierten Journalisten und Radsportkenner Thijs Zonneveld, schüttelt Thomas Dekker erstmals alle Lügen von sich ab und erzählt der Welt seine Geschichte, seine ganze Wahrheit. Mit beispielloser Offenherzigkeit – absolut schonungslos gegen sich und andere – zeichnet er seinen Weg nach: vom leicht beeinflussbaren Nachwuchsfahrer zum geläuterten Veteranen mit einer dunklen Vergangenheit in den Hinterhöfen des Profiradsports. Er berichtet von nüchtern routiniertem Blutdoping in anonymen Flughafenhotels, von zwielichtigen Treffen mit Dealern, von Partys mit Prostituierten bei der Tour de France. Es ist das erschütternde Sittengemälde eines Pelotons der Exzesse.

Thomas Dekkar muss damals als Radprofi ein ziemlich cooler Hund gewesen sein. Als einer der talentiertesten Niederländer war seine Radsportkarriere von einigen großen Erfolgen gekrönt, aber nebenbei hat er es partymäßig auch so richtig krachen lassen und mittendrin im Dopingskandal rund um den Dopinghändler Stefan Matschiner hat er die Schattenseiten als ehemaliger Dopingsünder kennenlernen müssen. Als 2015 der quasi Rehabilitationsversuch mit dem Stundenweltrekordversuch knapp um 270m scheiterte, gab er 4 Wochen später seinen Rücktritt aus der Profikarriere bekannt. Der Radsportjournalist Thijs Zonneveld hat Dekkars Erzählungen reißerisch wenn auch ein wenig kurzweilig niedergeschrieben. Ich finde, ein wenig mehr ausgeschmückt hätte die Geschichte glatt Stoff für eine Hollywood Verfilmung. Trotzdem spannend und absolut lesenswert!

Verfasst von

Michael

Absolvent eines Architekturstudiums, beruflich selbständig (Baugewerbe) und stolzer Vater einer Tochter. Im November 2019 habe ich mir nach über 30 Jahren wieder ein Rennrad zugelegt und trainiere seit Mitte Jänner 2020 regelmäßig bis zu 5x in der Woche. Außerdem bewege ich mit großer Leidenschaft mein MTB durch die Wälder Österreichs.